Nicht jede Hund-Mensch- oder Hund-Hund-Begegnung ist herzlich – doch woran liegt das?
Ein wahres Hundeleben
Die ursprüngliche Domestizierung vom Wolf zum Haushund vor schätzungsweise über 30.000 Jahren ist ein Paradebeispiel für eine Win-Win-Situation. Der Wolf verstand, dass er im Abfall der Nomaden ein wahres Schlemmerbuffet vorfindet und der Mensch erkannte, dass ein Wolf Schutz und Jagderfolg bedeutet. Durch kontinuierliche Prägung wurde der Hund im Laufe der Jahrhunderte physisch, physiologisch und im Verhalten domestiziert. Diese lange gemeinsame Geschichte hat den Hund eng an den Menschen gebunden und sein Verhalten verändert und geprägt. Die Bindung ist so tief, dass die meisten ausgewachsenen Hunde lieber mit ihren Menschen zusammen sind als mit ihren Artgenossen. Dennoch steckt in jedem Schoßhund auch noch ein kleines bisschen seiner wilden Vorfahren, der Wölfe.
Das Erbe der Wölfe
Wölfe leben in Familienverbänden, den Rudeln. Das Rudel hält fest zusammen, jagt gemeinsam und schützt die Welpen vor Feinden. Innerhalb des Rudels herrscht eine Rangordnung, in der die Elterntiere die höchsten Rangplätze einnehmen. Die Rangordnung dient dazu, den Zugang zu Ressourcen, wie der Nahrung, regeln. Ranghohe Wölfe dürfen beispielsweise zuerst fressen. Sie haben es aber nicht nötig, ständig ihre Macht zu demonstrieren, indem sie die Rangniederen systematisch drangsalieren. Sie zeigen sich eher überlegen, indem sie die Rangniederen und ihre Mätzchen ignorieren. Bei einem Konflikt verhalten sie sich häufig diplomatisch und vermeiden „handgreiflichen“ Streit, wann immer es geht.
Wölfische Diplomatie
Das ist vernünftig, denn jede kämpferische Auseinandersetzung kann zu Verletzungen auf beiden Seiten führen. Verletzungen einzelner Tiere gefährden jedoch den Jagderfolg und damit das Überleben des gesamten Rudels. Daher versuchen Wölfe, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Dazu kann durchaus gehören, dass ein ranghohes Tier, im Sinne „von der Klügere gibt nach“, ein Rangniederes auch einmal in einem Konflikt „gewinnen“ lässt, bevor es durch Beharren auf seine Vorrechte eine Eskalation riskiert. So kommt es im Wolfsrudel nur selten zu schweren Kämpfen.
Im Zuge der Domestikation ist der Hund im Grunde noch friedfertiger als der Wolf geworden. Schließlich züchteten die Menschen nur mit den friedfertigsten Tieren, um keine unbezähmbaren Bestien an ihrem Lagerfeuer zu halten. Die Jahrtausende lange Zuchtwahl der bravsten Tiere hat dazu geführt, dass eine gewisse Friedfertigkeit in den Genen unserer Hunde liegt. Was aber nicht heißt, dass Hunde nicht auch bereit sind zu kämpfen, wenn es um etwas Wichtiges geht!
In der Menschenfamilie
Hunde wissen zwar, dass Menschen keine Hunde sind, dennoch erwarten sie, dass auch in der Menschenfamilie eine Rangordnung herrscht. Die meisten unserer Sofawölfe akzeptieren dabei, dass die erwachsenen Menschen in einer Familie ranghöher sind als sie. Das liegt zum Teil an der bereits beschriebenen Zuchtwahl während der Domestikation. Und zu einem anderen Teil auch daran, dass wir dank unseres aufrechten Gangs die meisten Vierbeiner „turmhoch“ überragen. Dazu kommt, dass ein neuer Hund in unser Territorium einzieht und wir nicht in seines. Genauso wie wir ist auch ein Hund auf unbekanntem Terrain verunsichert. Wenn wir außerdem ganz selbstverständlich die Ressourcen wie Nahrung, Ruheplatz, Spielzeug und Zuwendung kontrollieren, hat der Hund keinen Grund daran zu zweifeln, dass wir Menschen ranghöher sind als er.
Problemlöser Mensch
Unsere geistige Überlegenheit trägt dabei ganz entscheidend dazu bei, unsere Autorität als Rudelführer zu festigen. Alleine die Zauberkräfte, mit denen wir Menschen Kühlschränke und Dosen öffnen, flößen Hunden Respekt ein. Studien haben gezeigt, dass Hunde sich auf uns verlassen, wenn es darum geht, Probleme zu lösen. Wenn man Futter schwer zugänglich für das Tier unter einen Drahtkorb legt, blicken Hunde nach ein paar erfolglosen Versuchen Hilfe suchend ihre Menschen an, als wollten sie sagen: „Mach du mal, ich kann das nicht!“. Wölfe hingegen würden nicht im Traum daran denken, selbst vertraute menschliche Pfleger um „Hilfe zu bitten“. Hunde wissen also instinktiv, dass wir ihnen in vieler Hinsicht überlegen sind und wir uns deshalb als Rudelführer eignen. Darum sind die meisten Hunde auch gerne bereit, sich an unsere Regel zu halten. Sie brauchen jedoch Zeit, um zu lernen, was wir von ihnen erwarten.
Hundegerechte Erziehung
Damit sich die Tiere angstfrei in der modernen Welt bewegen können, müssen wir sie über eine sorgfältige Sozialisation und Habituation an die vielfältigen, unnatürlichen Reize gewöhnen, mit denen sie es täglich zu tun haben. Darüber hinaus müssen Hunde lernen, sich an die Regeln der Menschen zu halten. Da wir Hunden nicht erklären können, was wir wollen, müssen wir auf andere Lehrmethoden zurückgreifen. Tiere lernen am besten durch Versuch und Irrtum: Belohnungen verstärken ein Verhalten, schlechte Erfahrungen führen dazu, dass das Tier ein Verhalten vermeidet.
Wer also seinem Hund beibringen möchte, auf Zuruf zu kommen, sollte ihn belohnen, wenn er kommt – so wird er das nächste Mal bereitwillig kommen. Was aber tun, wenn der Hund den Ruf ignoriert und erst viel später eintrifft? Auf keinen Fall sollte er körperlich bestraft werden, denn die schlechte Erfahrung führt dazu, dass er das nächste Mal erst recht keine Lust hat, dem Ruf zu folgen. Belohnen darf man den Vierbeiner für sein Trödeln natürlich auch nicht.
Missachtung kann schon Strafe sein
Nach dem Vorbild der Wölfe ignoriert man als ranghohes Familienmitglied die Mätzchen des Rangniederen und geht weiter, ohne Notiz von dem Trödler zu nehmen. Gerade für Welpen ist das bereits eine Strafe. Den Rückruf übt man dann in Zukunft in Situationen, in denen der Hund sicher kommt, bis das Kommen auf Zuruf fast reflexhaft abläuft. In der Zwischenzeit kann man den Hund mithilfe einer Schleppleine kontrollieren. Im Grunde funktioniert das Lernen über die Belohnung des erwünschten Verhaltens auch bei anderen Kommandos, wenn man geduldig übt. Aber was ist, wenn der Hund etwas tut, was man nicht will?
Die Risiken körperlicher Strafen
Häufig werden körperliche Strafen oder Bedrohungen eingesetzt, um Hunde von unerwünschtem Verhalten abzubringen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Hund und Mensch kann dabei jedoch empfindlich gestört werden. Darüber hinaus kann man mit einer Strafe genau das Gegenteil erreichen, dessen was man will. Ein Hund, der beispielsweise gestraft wird, weil er warnend knurrt, warnt in Zukunft vielleicht gar nicht mehr, sondern beißt gleich zu. Gerade in brenzligen Situationen sollte man sich so klug verhalten wie ein Wolf und die Eskalation des Konfliktes vermeiden, indem man den Hund nicht weiter bedrängt und lieber in Ruhe darüber nachdenkt, wie es zu dieser Situation kommen konnte und wie man sie in Zukunft verhindert. Bei gravierenden Problemen mit dem Hund, lässt man sich hierbei am besten von erfahrenen Trainern oder Tierärzten für Verhaltenstherapie unterstützen.
Mit Konsequenz und Köpfchen
Eine Möglichkeit den Hund von unerwünschtem Verhalten abzubringen ist, ihm ein alternatives Verhalten beizubringen. Wenn man beispielsweise will, dass der Hund nicht am Tisch bettelt, ignoriert man sein Betteln, bis er von sich aus aufgibt und sich auf seine Decke ablegt. Genau dieses Verhalten belohnt man sofort mit Leckerli. Wenn man das konsequent trainiert, wird sich der Hund bald freiwillig auf seine Decke legen, sobald man sich zum Essen setzt. Entscheidend ist, dass der Hund niemals etwas vom Tisch, sondern nur auf seiner Decke bekommt. Mit etwas Nachdenken findet man für jedes unerwünschte Verhalten auch ein Alternativverhalten und zeigt seinem Hund so mit Konsequenz und Köpfchen, dass man ein überlegener Rudelführer ist.
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