Ängste von Hunden überwinden

Angsthunde brauchen Verständnis und viel Geduld

Angsthunde verstehen und mit ihnen umgehen

Was ist Angst?

Handelt es sich nicht um Phobien, betrachten wir Menschen Ängste eher rational: Die Angst als körpereigenes Alarmsystem für Gefahren. Furcht im Dunkeln hilft uns zum Beispiel, die Dunkelheit prinzipiell zu meiden. Das ist gut, weil wir im Dunklen weniger sehen und daher größeren Gefahren ausgesetzt sind. Die Angst vor Höhe verhindert, dass wir leichtsinnig werden und die Höhenmeter bei einem Sturz unterschätzen. Auch die natürliche Furcht vor giftigen oder gefährlichen Tieren dient unserem eigenen Schutz.

Auch Tiere verspüren Angst – der Angsthund

Hunde können sich diese persönliche Gefahrenmeldung ebenfalls zu Nutze machen – beispielsweise in der Begegnung mit Schlangen. Der durch Angst angelernte Fluchtreflex bietet dem Vierbeiner die Option, dem gefährlichen Schlangenbiss, zu entkommen. Manchmal ist die Angst aber unbegründet hoch ausgeprägt. Bei Hunden spricht man von einem so genannten Angsthund. Bei unbegründeten Ängsten kostet es uns immense Überwindung, uns unseren Ängsten zu stellen. Ein bewährtes Mittel dagegen ist das Konfrontationstraining. Hier lernen wir, uns an die Situation die uns Angst macht, zu „gewöhnen“, oder die Ängste sogar gänzlich zu überwinden. Eine erfolgreiche Therapie bei Höhenangst kann zum Beispiel der Besuch von Klettergärten sein.

Es ist folglich relativ verständlich, dass wir früher Angsthunde, die ein unbegründetes Angstverhalten zeigten, mit einem Überreiz zu therapieren versuchten. Doch inzwischen hat sich die Verhaltenstherapie bei Hunden gewandelt und Therapeuten wie auch Hundehalter haben erkannt, dass eine reine Adaption unserer Methoden bei Menschen für den Hund nicht zwangsläufig funktionieren muss. Um einen Angsthund definieren zu können, müssen wir unter drei Stadien der Angst unterscheiden.

Angsthund: Die drei Stadien der Angst

  • Furcht: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Bei der Furcht begegnet der Hund einer bekannten oder unbekannten Angstsituation und reagiert mit langsamer Annäherung oder Flucht
  • Angst: Die Angst geht über zur Panik, da der Hund eine bekannte oder unbekannte Situation als äußerst gefährlich einstuft. Der Vierbeiner fühlt sich weder körperlich noch psychisch in der Lage der Gefahr aus dem Weg zu gehen. Jetzt folgen Symptome wie Speicheln, Hecheln, Schwitzen, erhöhte Herzfrequenz und Harn- und Kotabsatz. Die Gefahr muss nicht unbedingt real sein, sondern kann auch von einer bedrohlichen Situation später auf ein Objekt projiziert werden. Zum Beispiel die Angst vor bestimmten Geräuschen, Fahrrädern oder einer bestimmten Personengruppe.
  • Generalisierte Angst: Führt die Angst zu einem Dauerzustand, macht sie dein Lieblingstier krank. Bereits der kleinste Reiz versetzt dem bangen Hund einen Schreck. Der dauerhaft gegenwärtigen Bedrohung begegnet der Vierbeiner mit überkompensierter Wachsamkeit, häufig einer unangemessenen Verteidigungshaltung und einer damit einhergehenden Aggressivität. Manchmal finden derart gepeinigte Tiere nur noch Trost in der Ablenkung und entwickeln eine zwanghafte Ersatzhandlung, wie dauernde Nahrungsaufnahme, Pfoten lecken oder einer übersteigerten Anhänglichkeit. Dieses Befinden wird häufig von körperlichen Symptomen begleitet. Neben den Angstreaktionen kann der Dauerzustand auch zu Erbrechen und Durchfall führen.

Furcht erkennen und richtig deuten

Auch wenn die Angst-Stufen grob zu gliedern sind, bleibt die Angst für sich eine höchst individuelle Angelegenheit und ein betroffener Hund ringt seinem Halter viel Zeit und Verständnis ab. Ängstliche Vierbeiner brauchen besonders viel Aufmerksamkeit und machen es Frauchen und Herrchen, auch im Umgang mit Alltagsproblemen und tierischen Artgenossen, nicht leicht. Gib dein Tier nicht auf und hole dir am besten Unterstützung von einem Tierverhaltenstherapeuten, denn es gibt nichts Schöneres, als sein Lieblingstier wieder fern von Angstgefühlen, lebensfroh umherspringen zu sehen.

Die Kampf-Flucht-Reaktion

Egal ob ein kurzer Moment der Furcht, oder eine eingebildete Gefahr, das Unterbewusstsein des Hundes reagiert immer mit der alarmierenden Bekundung: Hau ab und versteck dich. Sollte das nicht gelingen, schnellt der Gedanke „Kämpfe ums Überleben“ ganz weit nach vorne. Das muss nicht unbedingt mit einem äußeren Reiz einhergehen – auch die Angst vor dem Alleinsein oder des Verlassenwerdens kann zu Folgereaktionen führen. Es gibt eine Reihe von körperlichen Merkmalen anhand derer wir relativ schnell erkennen können, ob unser Hund momentan Furcht erlebt, oder ängstlich ist.

Dein Lieblingstier reagiert auf eine „vermeintliche“ Bedrohung mit folgenden Symptomen: die Ohren liegen flach am Kopf an, die Haltung ist geduckt, der Schwanz eingezogen und er zittert und atmet schnell und flach. Zudem erlebt dein Tier noch weitere unsichtbare Symptome, die den beklemmenden Zustand bezeugen: Herzrasen, angespannte Muskeln, Starre, gesteigertes Reaktionsvermögen oder verstärkte Sinneswahrnehmung. Bevor dein Hund zum Angriff übergeht und sich der Bedrohung stellt, wird er höchstwahrscheinlich versuchen zu Fliehen. Abhängig vom Angstauslöser wird er zurückschrecken und versuchen auszuweichen. Kann er das nicht, oder meint er es nicht zu können, treten Panikreaktionen zu Tage.

Die Übersprunghandlung

Eventuell führt die Panik auch zu nervösen Übersprunghandlungen, wie Gähnen oder intensives Kratzen. Häufig versuchen Hunde noch ein letztes Mal kommunikativ die Bedrohung von einer „Kapitulation“ zu überzeugen. Mit Bellen, Winseln und Knurren will der verängstigte Hund auf die Situation aufmerksam machen. Im Gegensatz zum Verteidigungs-Knurren, zieht der Hund beim Angst-Knurren die Lefzen nach hinten und zeigt seine Zähne, behält aber eine defensive Stellung. Dies ist keine Show, um zu beweisen, dass er notfalls zubeißen könnte, sondern bereits eine akute Warnung vor dem Biss. Häufig reicht für den Hund aber ein Drohschnappen und das anschließende Zurückziehen, damit sich die Situation auflöst. Je öfter ein Hund in eine solche Situation gebracht wird, desto eher erkennt er für sich, dass sich aggressives Verhalten auszahlt. Die fatale Folge daraus ist, dass er dieses Verhalten als seine Chance zur Abwehr der Angstreaktion erlernt und sich die Angstaggression bei dem Hund manifestiert.

Fehlgeleiteter Lernprozess

Nicht immer sind Ängste leicht zu definieren. Viele Verhaltensweisen scheinen Hundehaltern und auch Trainern unergründlich. Das Angstverhalten von Hunden ist komplex und hin und wieder fehlgeleitet. Das heißt, dass Hunde nicht immer die Ursache des Reizes auch als Angstauslöser interpretieren. Oft spielt dabei das Objekt, das die Aufmerksamkeit des Hundes im Moment des Reizes gewonnen hat, eine große Rolle. Ein Beispiel: Ein Hund läuft über die Weide und holt sich am Zaun einen Stromschlag. Da er sich in dem Moment auf die Rinder konzentriert hat, die er sich genauer ansehen wollte, verbindet er den schmerzlichen Stromschlag mit dem Vieh auf der Weide und definiert Kühe als Bedrohung. Dieses Phänomen lässt sich an vielen Beispielen erklären und ist manchmal so abwegig, dass ohne Beobachtung, niemand einen Zusammenhang mehr erkennen könnte.

Vom Kofferraum zur Bus-Phobie

Ein Beispiel dazu: Ein Hund darf mit zum Einkaufen und der Halter öffnet den Kofferraum, um sein Lieblingstier anzuleinen. Die Prozedur ist erlernt und das Tier richtet seine Aufmerksamkeit auf die Leute auf dem Parkplatz. Als er einer Frau mit Kinderwagen hinterhersieht, lockt ihn sein Herrchen aus dem Wagen und schließt die Klappe. Dabei klemmt sich der Hund den Schwanz ein und verbindet anschließend den Kinderwagen mit unheimlichen Schmerzen.

Es reicht unter Umständen ein einziges traumatisches Erlebnis, um bei einem Hund eine tief sitzende Angst zu manifestieren. Fehlverknüpfungen können auch weitreichendere Entwicklungen einnehmen. So kann der Hund in unserem Beispiel neue Verknüpfungen schließen, die die Angst ausdehnen. Eventuell macht er die Beobachtung, dass bei Kinderwägen häufig Gruppen von Kindern herumstehen und plötzlich entwickelt er eine extreme Angst vor Kindern. Die Kinder in seiner Umgebung steigen immer gemeinsam in den Schulbus und der Hund assoziiert Busse mit seiner ursprünglichen Angst vor Kinderwägen.

Die falsche Angstbehandlung

Da eine falsch behandelte Phobie sich derart verselbständigen kann und dadurch immer schlechter therapierbar wird, solltest du bei wiederholten Angstzuständen unbedingt einen Fachmann zu Rate ziehen. Wichtig ist, dass du den Auslöser definierst und versuchst, eine Konfrontation auf jeden Fall zu vermeiden. Das ist nicht immer einfach, da es sich bei dem Angstauslöser auch um Geräusche oder Gerüche handeln kann. Dass dein Lieblingstier einen feineren Geruchssinn und ein besser ausgebildetes Gehör bei hohen Frequenzen hat, erleichtert die Ursprungssuche nicht gerade. Vielleicht erschrickt sich dein Hund vor Tönen, die du nicht einmal wahrnehmen kannst.

In der Verhaltenstherapie gibt es die Methode der Desensibilisierung | MyPet

Wie wird dein Hund zum Angsthund?

Hunde, die ein übermäßig stark ausgeprägtes Angstverhalten zeigen, haben häufig schlechte Erfahrungen in einem Bereich ihres Lebens gemacht, oder wurden in einem Stadion der caniden Entwicklung gestört. Im Alter von ca. 4 bis 14 Wochen (je nach Rasse und Lebenssituation) befindet sich der Welpe in der so genannten sensiblen Phase (Prägephase). Die jungen Hunde erkunden ihre Umwelt und jede neue Erkenntnis vergräbt sich tief in der Erfahrungskiste. Die sozialen Kontakte und auch bedrohlichen Feinde werden in dieser Phase analysiert und eingeordnet. Wen oder was der Welpe in seiner frühen Kindheit nicht kennenlernt, wird prinzipiell erst einmal als bedrohlich empfunden. Und eine spätere Sozialisation zum Menschen kann je nach Charakter zu einer schwierigen Aufgabe werden.

Prägephasen können Ausschlag geben

Häufig sind Hunde, die in der Prägephase keinen Kontakt zu Menschen hatten, ungewöhnlich schreckhaft und reagieren sensibel auf Alltags-Geräusche (Straßenlärm, laute Gespräche, Bauarbeiten). Aber auch eine zu frühe Trennung von der Mutterhündin kann fatale Folgen haben. Unter Umständen leidet der Welpe später unter einer ständigen Angst vor Artgenossen. Die typischen Auslöser für Ängste sind aber nach wie vor schlechte Haltungsbedingungen, Misshandlungen und falsche Erziehungsmaßnahmen. Es gibt zum Beispiel viele Fälle von Hunden, die Angst oder Angstaggression gegenüber Artgenossen zeigen, weil ihr Herrchen oder Frauchen böse wurde, als sie als Junghund neugierig auf einen potentiellen Spielkameraden zuliefen und dabei die „Bei Fuß“-Regel nicht befolgten.

Da die Verknüpfung der Bestrafung nicht mit dem eigenen „Fehlverhalten“, sondern mit dem Objekt seiner Zuneigung verbunden wurde, sieht er andere Hunde als Auslöser für Bestrafung an. Es gibt noch einige weitere erfahrungsbedingte Angstauslöser, wie Überforderung, Unfälle oder reduzierte Sinneswahrnehmung im Alter. Aber auch die genetische Disposition spielt eine Rolle. Es gibt Hunderassen, die die Veranlagung haben, Ängste leichter zu entwickeln. Dies hat durchaus auch mit gezielten Züchtungen zu tun. Häufig wurden Hütehunde auf ein besonders sensibles Gehör getrimmt und entwickelten daher viel leichter Ängste gegenüber lauten und fremden Geräuschen. Auch eine prinzipielle Sensibilisierung von Hunden führt häufig zu vermehrten Angstzuständen. Zu beobachten ist das zum Beispiel bei Setter- oder Windhunderassen.

Wie gehe ich mit einem Angsthund um?

Eine Angstsituation ist äußerst unerfreulich für unsere Fellnasen und wir sollten tunlichst vermeiden, sie in diese missliche Lage zu bringen bzw. sie schnell wieder davon befreien. Eine direkte Konfrontation, um zu zeigen, dass unserem Liebling nichts passiert, bringt hierbei gar nichts. Der Hund wird vielmehr an uns, als kompetenten Anführer, zweifeln. In diesem Moment erkennt er keinen Zweck darin, dass wir uns in die direkte „Gefahrenzone“ begeben. Ruhe bewahren und keine schnellen bzw. ruckartigen Bewegungen machen – das sind die obersten Verhaltensregeln bei einer Angstreaktion deines Hundes.

Gib ihm das Gefühl, dass du ihn beschützt. Je nach Angstauslöser, solltest du dich zwischen dein Lieblingstier und dem Schlüsselreiz positionieren und somit eine Barriere aufbauen – wichtig dabei ist, dass du den direkten Blick in die Augen und das Beugen über deinen Hund vermeidest, da dies wiederum bedrohlich wirken kann. Der allgemeine Rat: Habe Geduld und gehe vorsichtig, langsam und behutsam mit deinem Lieblingstier um.

Der Charakter deines Hundes

Wie bei fast allen Eigenheiten spielt auch bei den Ängsten der individuelle Charakter deines Hundes eine Rolle. Kein Tier gleicht dem anderen und somit bist du, als Halter, gefragt, deinen Vierbeiner richtig zu lesen und ein persönliches Rezept zu entwickeln: es gibt keine allgemein gültigen Verhaltensregeln oder Übungsabläufe. Ein guter Tipp für jedermann sind jedoch feste Strukturen im Alltag. Sie schaffen Sicherheit und bieten Halt in einer vermeintlich furchterregenden Welt. Hier reicht es, feste Gassizeiten, Fütterungszeiten oder auch regelmäßige Rituale und Aktivitäten einzuführen.

Wichtig dabei ist, dass du und dein Hund Spaß an den gemeinsamen Tätigkeiten habt.  In der Verhaltenstherapie wird zur langfristigen Behandlung von Angsthunden häufig eine Art der Desensibilisierung (Gegenkonditionierung) angewendet. Schrittweise soll hier ein angstauslösender Schlüsselreiz mit einer positiven Erfahrung gekoppelt werden. Der Hund lernt schließlich, mit dem vermeintlichen Angstauslöser zu leben und ihn bestenfalls zu ignorieren. Diese Methode ist langwierig und sollte nur von erfahrenen Hundetrainern angewandt werden. Mit realistisch gesteckten Zielen, Verständnis und Geduld gibt es auch für Hunde mit ausgeprägten Angstzuständen eine Chance auf ein unbeschwertes Leben.

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